Die nächste Pause kommt bestimmt – “Wir sind gerüstet”

Alkohol und Arbeit

Auf dem ersten Blick, eine Momentaufnahme zu dem aneinandergereihten Arbeitsgerät, die angesichts des auf der Türe des LKW angebrachten Slogans „Wir sind gerüstet“ zum Schmunzeln verleitet. Doch viel zu ernst ist die Problematik des Alkoholkonsums auf Baustellen, um dieser Aufnahme die Billigung eines Scherzes, einer Witzigkeit, zu geben oder zuteil werden zu lassen.

Alkoholkonsum während der Arbeit, Alkoholmißbrauch bis hin zum Alkoholismus sind in unserer Gesellschaft eher als Tabu-Themen zu bezeichnen. Alkohol gehört offensichtlich obligatorisch zu jeglichem feierlichen Anlaß und für unzählige Menschen auch als Standardgetränk zum täglichen Essen. Während die Raucher immer mehr diskriminiert und kriminalisiert werden, schweigt man gesellschaftlich zum Thema Alkohol. Kommt auch nicht so gut, wenn ein Politiker einerseits das Glas zum Prost erhebt, und das elfundachzig mal pro Woche, und andererseits vielleicht zu dem tatsächlich existenten Problem, das mit übermäßigem Alkoholkonsum verbunden ist, das Wort ergreift. Da hapert es dann etwas mit der Glaubwürdigkeit.

Eine reale Wahrnehmung, und dies ausgerechnet auf einer Baustelle, hat uns veranlasst, Recherchen anzustellen, aber so richtig kernige Angaben zu Folgen von Alkoholkonsum während der Arbeit und zu Arbeitsunfällen, die damit im Zusammenhang stehen, die konnten wir nicht vorfinden. Eine Anfrage selbst bei der AUVA über eine Statistik bezüglich Arbeitsunfällen, die unter Alkoholeinwirkung passierten, existiert nicht. Im Internetportal der Wirtschaftskammer Österreich gibt es zwar aus dem Jahr 2002 eine Publizierung unter der Überschrift „Alkohol am Arbeitsplatz – eine bekämpfenswerte Krankheit und Sucht – Schäden für Arbeitnehmer und Wirtschaft nicht kampflos hinnehmen – Sozialpartner ziehen an einem Strang – Mißbrauch von Alkohol am Arbeitsplatz: Täglicher Schaden für die Wirtschaft – 2,9 Millionen Euro“, aber nichts Aktuelleres, wie uns die Fachabteilungen auf Anfrage bestätigten.

Alkoholkonsum und verantwortungsbewußte Arbeitsverrichtung sind unvereinbarAlkoholkonsum und verantwortungsbewußte Arbeitsverrichtung sind unvereinbar

Die Statistik Austria weist zwar Daten über Arbeitsunfälle aus, allerdings existiert innerhalb dieser Angaben, die für das Jahr 2007 134.017 Arbeitsunfälle mit 338 Toten bescheinigt, kein Hinweis darauf, bei wievielen davon Alkohol eine Rolle spielte.

Fakt ist jedoch, daß uns noch niemals eine Baustelle untergekommen ist, bei der nicht in irgendeiner Form Alkohol eine Rolle spielte. Welche Auswirkungen Alkoholkonsum während der Arbeit zur Folge hat, sollte jedem bekannt sein, der solchen schon einmal konsumiert hat. Aus der Publizierung der WKO entnehmen wir einmal ein paar Beispiele:

• ab 0,3 Promille verschlechtert sich die Reaktionszeit
• bei 0,5 Promille ist die Unfallgefahr bereits doppelt so groß wie bei 0,1 Promille
• ab 0,5 Promille wird das periphäre Gesichtsfeld um 3 Grad und mehr eingeschränkt (Auswirkung zB: auf 100 Meter verschwindet ein breiter Lkw aus dem Gesichtsfeld)
• zwischen 0,5 und 1 Promille ist die Selbsteinschätzung bezüglich der eigenen Leistungsfähigkeit positiv, obwohl es zu gewaltigen Leistungseinbußen kommt
• mit 0,8 Promille werden 3 Mal mehr Fehler gemacht als in nüchternem Zustand; es kommt bei 76 Prozent zu einem Leistungsabfall
• der Restalkohol im Blut wird hinsichtlich seiner beeinträchtigenden Wirkung stark unterschätzt
• das Arbeitsklima wird durch exzessiven Alkoholkonsum extrem in Mitleidenschaft gezogen, die Produktivität leidet darunter entsprechend

Und selbst wenn wir keine aktuellen Daten zur Mitschuld von Alkohol bei Arbeitsunfällen bei den o.a. Einrichtungen beziehen konnten, so schrieb die Wirtschaftskammer im Jahr 2002, daß bei jedem 3. Arbeitsunfall Alkohol im Spiel ist. Durchaus denkbar, daß die Dunkelziffer wesentlich höher liegt.

Man zählt zwar die Toten in der Arbeitsunfallstatistik - aber das Grundproblem bleibt unthematisiert, weil ausnahmslos alle Gesellschaftsschichten davon betroffen sind!Man zählt zwar die Toten in der Arbeitsunfallstatistik – aber das Grundproblem bleibt unthematisiert, weil ausnahmslos alle Gesellschaftsschichten davon betroffen sind!

Das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), der § 15 Abs 4:

„Arbeitnehmer dürfen sich nicht durch Alkohol, Arzneimittel oder Suchtgift in einen Zustand versetzen, in dem sie sich oder andere Personen gefährden können.“

Doch auch für Arbeitgeber gibt es eine interessante Bestimmung, die sich im § 29 „Sanitäre Vorkehrungen und Sozialeinrichtungen auf Baustellen“ nachlesen läßt:

„Den Arbeitnehmern ist Trinkwasser oder ein anderes gesundheitlich einwandfreies, alkoholfreies Getränk zur Verfügung zu stellen.“

Die Palette mit den Bierdosen wurde vom LKW abgeladen, wie das übrige Arbeitsmaterial auch – von der Ladefläche. Es bleibt dahingestellt, ob nun der Arbeitgeber für das „leibliche Wohl“ seiner Mannschaft sorgte, oder es von diesen in Eigenregie angeschafft wurde.

Auf Baustellen wird körperliche Schwer- und Präzisionsarbeit geleistet und gefordert – jeglicher Alkoholkonsum kann die eigene Gesundheit, das eigene Leben, und auch das der Kollegen gefährden. Arbeitsunfälle passieren Tag für Tag, und zumindest die Statistik der WKO belegt, daß fast jeden Arbeitstag ein Mensch bei seiner Arbeit zu Tode gekommen ist und bei jedem Dritten Alkohol eine Rolle spielte.

Weil durch Schwarzarbeiter dem Staat Steuereinnahmen entgehen, werden immer wieder Kontrollen durchgeführt – aus unserer Sicht ist die Gesundheit und das Leben als eindeutig wichtiger anzusehen. Und jetzt fragen wir uns, warum keine Alkotests auf Baustellen durchgeführt werden, wenn ein derart offener Umgang mit alkoholischen Getränken gepflogen wird, der darauf schließen läßt, daß auch in diesem Lebensbereich einfach die Augen zugedrückt werden?

Biertransporter

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