Die vier Kerzen

Die vier Kerzen von Walter Egon Glöckel

Das Licht von vier Kerzen erhellte den Raum.
Die Stille wurde plötzlich durch das Sprechen der Kerzen durchbrochen.

Die erste Kerze sprach: „Ich heiße Frieden, aber da die Menschen sich in Kriegen befinden, raubt mir dies meinen Lebenswillen“. Ihre Flamme wurde kleiner, bis sie erlosch.

Die zweite Kerze sprach: „Ich heiße Glaube, aber in Zeiten, in denen der Glaube an Wert verliert, in Zeiten, in denen im Namen des Glaubens Menschen ermordet werden, raubt mir dies meinen Lebenswillen“. Auch ihre Flamme wurde kleiner, bis sie erlosch.

Die dritte Kerze sprach: „Ich heiße Liebe, aber in Zeiten, in denen die Menschen nur mehr sich selbst lieben, raubt mir dies meinen Lebenswillen“. Ihre Flamme wurde kleiner, bis auch sie erlosch.

Ein kleiner Junge betrat den Raum, in dem nur noch das zarte Funkeln einer einzigen Kerze ein wenig Licht spendete und bemerkte, daß drei Kerzen erloschen waren. Es machte ihn traurig, und er begann zu weinen.

Die zarte Stimme der vierten Kerze erklang: „Warum weinst Du?“ fragte sie ihn, worauf der Junge antwortete: „Ich habe gehört, was die anderen Kerzen gesagt haben. Nun  ist der Frieden erloschen, der Glaube erloschen und die Liebe erloschen. Ich fürchte mich – es ist so dunkel in diesem Raum.“

„Hab keine Angst, mein liebes Kind“ sprach die vierte Kerze – nimm mich in Deine Hand und entzünde  mit meinem Feuer wieder die anderen, denn ich bin die Hoffnung!“

Inspiriert durch „The  Four Candles“ (unbekannter Autor) – Idee: Katarzyna Dietz – Text: Walter Egon Glöckel
© Gloeckel.info

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